Februar 2013

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?


Herr Schäuble will alsbald einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist in Ordnung und freut sicher nicht nur die Haushälter. Derzeit fehlen ihm etwa vier Milliarden, um das Ziel zu erreichen. Dies würde sich kurz vor der Bundestagswahl ausgesprochen gut platzieren lassen.

Da es wohl einige Mühe kosten wird, das notwendige Geldvolumen einzusammeln, wie kürzlich eine Staatssekretärsrunde demonstrierte, bleibt die Frage: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Letzteres scheint wohl der Alternativplan zu sein und die Frage „Wofür haben wir denn momentan so gut gefüllte Sozialkassen – insbesondere in der GKV?“, verleitet die Finanzpolitiker offenbar schnell zu einem Griff in eben diese. Die technisch-lapidare Begründung: Es mache wenig Sinn, ein Defizit im Staatshaushalt und gleichzeitig hohe Überschüsse in der Gesundheitskasse zu haben, so Finanz-Staatssekretär Steffen Kampeter. Mit dem kleinen aber bedeutsamen Unterschied, dass das nicht sein Geld ist, sondern das Geld der Versicherten und Arbeitgeber, eingesammelt für gesundheitliche Versorgung und bezuschusst vom Staat, weil die Gesundheitskassen jetzt und auch künftig versicherungsfremde Aufgaben wahrnehmen, die mit Gesundheit nichts zu tun haben.

Mit der Festlegung des einheitlichen Beitragssatzes durchs Parlament und mit der Einrichtung des Gesundheitsfonds als Geldsammelstelle ist vielfach kritisch eingewandt worden, dass der Staat sich dieses Fonds opportun bedienen werde. Das scheint nun der Fall zu sein. Ein solcher Plan würde sowohl eine eigentlich erforderliche Absenkung der Beiträge als auch den Ausgleich künftiger Ausgabenüberschüsse der Krankenkassen gefährden. Den Warnungen und Protesten aus der Gesundheitspolitik kann man sich daher nur anschließen. Bitte nicht wieder stehlen.   

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


Januar 2013

Medizin, Ethos und Geschäft

Das neue Jahr war keine zwei Tage alt, da wurden seitens der Politik und der Kassen die Rufe nach einer gesetzlichen Regelung gegen Ärzte-Korruption laut.

Erst im vergangenen Juni hatte der Bundesgerichthof geurteilt, dass sich niedergelassene Ärzte nicht strafbar machen, wenn sie für die Verordnung von Medikamenten Geld oder andere Leistungen annehmen.
Obwohl das ärztliche Standesrecht Regelungen vorsieht, die es den Ärzten grundsätzlich verbieten, sich bestechen zu lassen, ist das Thema in der Welt. Wirkt offenbar das Standesrecht nicht so durchgreifend wie das Strafrecht, weil von den bestehenden Sanktionsmöglichkeiten nicht konsequent Gebrauch gemacht wird?

Natürlich gibt es überall in der Wirtschaft Vorteilsnahmen. Aber im Zusammenhang der gesundheitlichen Versorgung hat dies eine andere ethisch-moralische Qualität. Hier geht es immer um ein maßgebliches Entscheidungsrecht des Arztes, der mit seiner Hilfe im Krankheitsfall berechtigterweise Geld verdient. Es ist ethisch geboten, dass dies unabhängig auf Basis evidenten Wissens geschieht. Ohne Zweifel verhalten sich die meisten Ärzte auch dementsprechend. Es kann also nur in deren Interesse sein, wenn die Sanktionsinstrumente im Falle von Korruption wirklich greifen. Kann dies die Standesorganisation nicht selbst wirksam regeln, müssen entsprechende gesetzliche Regelungen her. Dass dies in den zuständigen Ministerien nun geprüft wird, ist nachvollziehbar. Aber niemand sollte glauben, dass es mit immer mehr Gesetzen immer besser wird. Die Gründe liegen tiefer, denn das Verhältnis von Medizin, Ethos und Geschäft ist nicht in Ordnung.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


November 2012

Frontale Oberfläche

Das ZDF-Nachrichten-Magazin Frontal brachte es an den Tag: Die KKH wimmelte zahlungsunwillige Kranke ab und empfahl, in andere Kassen zu wechseln. Seitdem rauscht es wochenlang im Blätterwald.

Ungewöhnlich lange hält sich diese Meldung. Alle Welt entrüstet sich. Das ist auch durchaus in Ordnung, denn eine Krankenkasse ist für Kranke da. Natürlich. Das ist keine Frage. Für mich erschreckend ist die frontale Oberfläche. Ernsthaft Kranke können auf Dauer nur bezahlt werden, wenn ernsthaft Gesunde und ökonomisch besser Ausgestattete ebenfalls in die Kasse einzahlen. Solidaritätsprinzip nennt man das seit Erfindung unseres Ordnungssystems. Kassen – nicht nur die KKH – haben deswegen auch Interesse an zahlungsfähigen Gesunden. Wenn man dann noch bedenkt, dass alle Kassen ihre Gelder aus dem Fonds orientiert an Vergangenheitsdurchschnitten nach Risikogesichtspunkten erhalten, kann man sich unschwer ausmalen, was eine Kasse im Vertrieb reitet, wenn sie hinter zahlungsunwilligen Versicherten her telefoniert.

Das wird nicht nur der KKH so gehen und ich bin überzeugt, dass die KKH nicht die Linie verfolgt „wimmelt-mir-die-Kranken-ab“. Dafür machen sie viel zu intelligente Versorgungsprogramme. Das alles hat Frontal nicht erzählt und keiner geschrieben. Ich wollte es mal tun, auch wenn das den Einzelfall nicht entschuldigt, für den sich die Verantwortlichen inzwischen bei allen entschuldigt haben, außer bei Frontal, warum auch – bei dieser frontalen Oberfläche?

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


Oktober 2012

Endlich Einigung!

Das überflüssige öffentliche Hauen und Stechen hat nun hoffentlich ein Ende. Die Vertragspartner, die ich im letzten Editorial noch als Vertragsgegner beschreiben musste, haben sich verständigt:

Die basisfernen Speerspitzen von Ärzten und Krankenkassen sind dann doch schneller zu einem Kompromiss im Honorarstreit gelangt, als die selbst erzeugten äußeren Umstände es ahnen ließen. Das öffentliche Bild, das sie von sich abgaben, war ja auch alles andere als preiswürdig. Es war wohl für die Protagonisten eindrucksvoll genug, um über die jeweils gesetzten Forderungs- und Angebotshürden zu springen. Es soll hier nicht auf die Einzelheiten des Kompromisses eingegangen werden, der mit Blick auf andere Verteilungsrealitäten in unserer Republik als ordentlich bezeichnet werden kann, weil das Signal dieser Verständigung sowohl in die Politik als auch in die tägliche medizinische und gesundheitliche Versorgung viel bedeutsamer ist. Daher auch meine spontane Überschrift „Endlich Einigung“. Immerhin ist das konfrontative Gegeneinander der mit hoheitlichen Aufgaben Betrauten durch das aufschaukelnde „Blechtrommeln“ so ins Gerede gekommen, dass Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung, die seit einiger Zeit politisch – zum Teil zu Recht, zum Teil zu Unrecht – kultiviert werden, heftige Nahrung erhielten.

Und es sind nach meiner Überzeugung und Erfahrung immer wieder solche Anlässe, die den exklusiven ordnungspolitischen Weg deutscher Sozial- und Gesundheitspolitik, die an sich ein gutes Potential vorzuweisen hat, durch die Inflation staatlicher Intervention nachjustieren lassen. Jetzt wird es darauf ankommen, was man in Verhandlungen auf KV-Ebene daraus macht. Bleibt zu hoffen, dass die angekündigten und vorbereiteten Streiks derjenigen, die durch den Sicherstellungsauftrag – wie der Name schon sagt – ein im Grunde ökonomisch sicheres und gesellschaftspolitisch wichtiges Aufgabenspektrum haben, nicht noch zu unschönen Auswüchsen führen, die immer nur konkret Kranke treffen würden und dass sich nicht solche Sprecher von Ärzteallianzen durchsetzen, wie Dr. Dirk Heinrich, der die nach wie vor anstehenden Protestaktionen als den Beginn der öffentlichen Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Krankenkassen ansieht und sich auf einen langen Kampf einstellen will.

Das Vokabular von eher Unterdrückten im Munde eines eher Privilegierten mutet schon seltsam an. Die notwendige Auseinandersetzung ist politisch zu führen, nicht gegen kranke Menschen auf den Straßen vor geschlossenen Praxen. Und in der Tat sind es zwei Aspekte, die mittelfristig intelligenter Lösungsstrategien bedürfen: Wie viel und welche Medizin wollen wir uns wie leisten und wie werden die Honorare besser verteilt.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


September 2012

Überschuss an Vertragsgegnerschaft

Konjunktur und Spargesetze haben den Krankenkassen seltenen Geldsegen verschafft. An Defizite und deren Bewältigung lange gewöhnt, machen die Überschüsse natürlich begehrlich. Nun gehen immer mehr Kassen dazu über, ihre Leistungen auszubauen.

Beides war sicherlich ein Hintergrund-Schwergewicht bei den aktuellen Honorarverhandlungsrunden mit den Ärzten. Entsprechend groß waren dort die Erwartungen. Die wurden mit einem öffentlich gemachten Paukenschlag vor den Schlussrunden der Verhandlungen mächtig enttäuscht, in dem der GKV-Spitzenverband, der ja vor Ort den Druck der Praxen und Patienten nicht aushalten muss, auf der Basis eines Gutachtens schon außerhalb des Verhandlungstisches verlauten ließ, man könne guten Gewissens nur 7 % weniger anbieten. Ärzteseitig beeilte man sich – ebenso sachkundig empirisch flankiert – eine Forderung nach 11 % mehr Honorar in die Welt zu setzen. Tatsächlich führte also der Überschuss der Finanzen nicht zu einem guten Vertragspartnereinvernehmen mit vernünftigen strukturellen Perspektiven, sondern zu diametralen, unvereinbaren Positionen, die – einmal öffentlich gemacht – schwer wieder zurückzuholen waren.

Weiter können Verhandlungspartner nicht auseinander sein. Als dann der erste Teil der Verhandlungsrunde mit Hilfe der neutralen Vorsitzenden im erweiterten Bewertungsausschuss mit 0,9 % Plus verkündet wurde, kam, was kommen musste: Auf der einen Seite die Empörung der Ärzteschaft landauf, landab mit der Androhung von Kampfmaßnahmen und auf der anderen Seite das Herausstellen eines guten Ergebnisses.

Die sog. Vertragspartner zelebrierten einen schrillen Überschuss an Vertragsgegnerschaft. Jedenfalls wirkt das nach außen so und in einer an sich guten ökonomischen Ausgangslage stellt sich die beauftragte Funktionärselite der gemeinsamen Selbstverwaltung insgesamt ein Armutszeugnis aus. Alles ist überzogen: Die Ausgangspositionen genauso wie die Wut der Ärzteschaft und die Sparwut der Kassen. Dabei wäre die Zeit günstig, die klassischen Verteilungskämpfe um das Geld der Versicherten und Arbeitgeber, die derzeit auf Geheiß der Legislative viel zu viel Beitragsgelder zur Verfügung stellen, nicht mehr zu prolongieren, sondern rational und mit Blick auf eine sinnvollere Verteilung zu führen.
 
Es grüßte Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


August 2012

Du sollst Deinen Markt nicht beherrschen


Wir erinnern uns: Anfang 2010 gab es eine konzertierte Aktion einiger Krankenkassen, die erstmalig Zusatzbeiträge erheben wollten und dies gemeinsam öffentlich kundtaten.

Das Kartellamt sah darin eine verbotene Preis-Absprache und wollte von den Kassen dazu einiges wissen. Die stellten sich stur, klagten am Ende und bekamen Recht. Am 15. September 2011 hat das hessische Landessozialgericht geurteilt, dass „für eine partielle Zuständigkeit der Kartellaufsicht durch das Bundeskartellamt über die Krankenkassen“ neben der Rechtsaufsicht durch das Bundesversicherungsamt kein Raum bestünde (Az.: L 1 KR 89/10 KL). Fortan hielt sich das Bundeskartellamt zurück, aber das Thema war nicht tot. Die Bundesregierung nahm sich der Sache an.

Und nun mischt der Gesetzgeber sich ein: Er bringt eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf den Weg. Und die soll auch für Krankenkassen gelten. Krankenkassen sehen das je nach Marktdurchdringung unterschiedlich und die Länder haben mehrheitlich wie Teile der Koalition Bauchschmerzen damit. Die Opposition sieht gar die Gefahr der Privatisierung öffentlich-rechtlicher Krankenkassen. Aber doch sicher nur, wenn Grund- und Sozialrecht völlig neu geschrieben würden und die entsprechenden qualifizierten Mehrheiten dafür zustande kämen. Automatismen gibt es dafür nicht. Teile der Krankenkassen dagegen stellen in ihrem System inzwischen eine stärkere Konzentration und Marktbeherrschung fest, als man das aus anderen Branchen wie Lebensversicherungen und Banken kennt. So beherrschten die zehn größten Krankenkassen bereits dreiviertel des Marktes, heißt es. Die würden Marktfakten schaffen, mit denen andere nicht mithalten könnten, zu Lasten Dritter also.

Auf der anderen Seite wird argumentiert, Krankenkassen seien nicht gewinnorientiert, was stimmt. Sie sind allenfalls Effizienz getrieben und Überschüsse sind nun mal keine Gewinne. Weiter wird eingebracht, sie hätten einen Sozialstaatsauftrag, der mit dem Sozialrecht ausgiebig beschrieben sei. Auch das ist bekannt. Folglich postuliert der GKV-Spitzenverband die geplante Anwendung des Kartellrechts für Krankenkassen als nicht zum öffentlich-rechtlichen Versorgungscharakter der Krankenkassen passend. Auch das stimmt, es sind in der Tat zwei Rechtsgebiete. Ja und? Das eine ist der Apfel, das andere die Birne. Man will ja nicht mischen – Äpfel und Birnen in einen Topf stecken. Was will das Kartellrecht? Sich ins Sozialrecht einmischen? Nein. Es will nichts anderes, als auch hier wie anderswo Marktbeherrschung und unlauteren Wettbewerb verhindern. Und das sollte es auch, denn das Sozialrecht allein kann das nicht nachhaltig verhindern.

Indem wir das Sozialrecht achten und notwendige Kooperationen schätzen, wollen wir aber genauso gut nicht, dass in diesem parafiskalischen, mit Wettbewerbsattitüden ausgestatteten Sektor Monopolisierungstendenzen zum Tragen kommen. Das ist in unserer Ordnungswelt doch ganz normal. Die Diskussion des Themas ist also völlig überzeichnet. Es gibt Aufregenderes in der Gesundheitspolitik und wahrlich Wichtigeres. Wer Wettbewerb wirklich will, dürfte keine Probleme mit der Anwendung des Kartellrechts haben, auch wenn er im Sozialrecht seine Heimat hat.
 
Es grüßte Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


Juli 2012

Dr. Rainer Hess im Unruhestand


Rainer Hess ist von Bord gegangen. Als Beirat der WELT DER KRANKENVERSICHERUNG bleibt er uns umso aktiver erhalten.

Mit Rainer Hess hat am 30. Juni ein profunder und allseits geachteter wie beliebter Kenner des Gesundheitswesens den Führungsstab der Schaltzentrale für das gesundheitliche und medizinische Leistungsgeschehen in Deutschland, den des Gemeinsamen Bundesausschusses nämlich, an den Politiker Josef Hecken abgegeben. Kurz vor seiner sehr authentischen und würdigen Verabschiedung in der Berliner Porzellanmanufaktur KPM, wo wir eine ungewöhnlich gut und hochrangig besuchte Amtsübergabe – so hat Rainer Hess das tiefstapelnd bezeichnet – erleben durften, habe ich mit meinem alten Weggefährten und Beiratsmitglied unserer Zeitschrift ein Bilanz- und Ausblick-Interview führen können. Dieses steht inzwischen im Netz zur Verfügung. Hier geht es zum Interview: http://www.medhochzwei-verlag.de/index.php?id=507

Wir kennen uns nun seit mehr als 25 Jahren in unterschiedlichen Funktionen. In dieser langen Zeit hat Dr. Rainer Hess zwei Eigenschaften verkörpert, die für unsere Branche enorm wichtig und doch immer noch zu sehr unterentwickelt sind: Er war kein Freund interessenpolitischer Gegensätze, weil er immer über seinen jeweiligen Tellerrand geblickt und Verantwortung auch für das Ganze gespürt hat. So war sein durchgängiges Hauptanliegen Integration, Kooperation und die Anwendung "gnadenlosen Sachverstandes" bei zugleich offenen Ohren und Respekt für die Partner und Träger der Selbstverwaltung. Würde es nach Rainer Hess gehen, hätte die Selbstverwaltung noch vieles mehr – insbesondere Sektor übergreifend – schneller und profunder realisiert und dem Staat weniger Chancen und Anlässe zur regulierenden Intervention gegeben. Rainer Hess wird im Schaltzentrum der Leistungsentwicklung in Zukunft kaum kopierbar sein. Josef Hecken wird seinen Weg finden. Dazu wünschen wir ihm viel Erfolg.

Rainer Hess aber wird der WELT DER KRANKENVERSICHERUNG als aktives Mitglied des Beirats erhalten bleiben. Ich freue mich auf den intensiveren Themenaustausch mit ihm.

Die nächste Nummer der WELT DER KRANKENVERSICHERUNG wird, bedingt durch die Sommerpause, Mitte August erscheinen. Freuen Sie sich auf spannende Themen und bekannte und anspruchsvolle Autoren, wozu im nächsten Newsletter Anfang August mehr zu sagen sein wird.

Auch möchte ich auf den Gesundheitswirtschaftskongress am 29. und 30. August in Hamburg hinweisen, der von WELT DER KRANKENVERSICHERUNG medial begleitet wird. Ich selbst habe es übernommen, die Moderation einer interessanten und spannenden Veranstaltung am 29.08.2012 zum Thema "Krankenversicherung vor dem Umbruch: GKV und PKV vor Kernschmelze oder Urknall?“ u.a. mit Dr. Volker Leienbach, Verbandsdirektor und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V.; Jürgen Graalmann, geschäftsführender Vorstand des AOK Bundesverbandes GbR; Prof. Dr. Norbert Klusen, Leibniz Universität Hannover und Stellvertretender Vorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft e. V.; sowie Dr. Heiner Garg, Minister a. D. und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Kieler Landtag, zu moderieren. Ich würde mich freuen, auch Sie in Hamburg begrüßen zu können.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


Juni 2012

So heiß wie gekocht wird nicht gegessen

Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Eine Volksweisheit, die bereits seit mindestens zwei Generationen weiter gegeben wird. An diesem eingängigen Bild muss also wohl was dran sein.

Drei Dinge sind mir da in letzter Zeit besonders aufgefallen, die schön in das Bild passen. Zum einen ist das die GKV-PKV-Systemdebatte, die erstaunlich lange köchelt. Zum anderen ist das die ba(h)rsche Wahl- und Nachwahlkampf-Losung zu den Prämienausschüttungen an die Versicherten rücklagenstarker Krankenkassen und zum Dritten die sorgfältig getimte Botschaft aus den Wissenschaftsgefilden der Uni Halle-Wittenberg zu den Fangprämien für Versicherte im Medizinbetrieb. Alle drei Ereignisse generieren Stimmungen, die rationale Lösungen in der Weiterentwicklung der gesundheitlichen Versorgung nicht gerade befördern.

Der Reihe nach. Die Systemdebatte ist dringend notwendig, keine Frage. Aber jeder kehre vor der eigenen Türe doch bitte zuerst. So theoretisch wünschenswert auch ein einheitlicher Versicherungsmarkt wäre, so praktisch notwendig ist doch die Beseitigung bestehender Defizite in beiden Systemen. Diese sollten konsequent und pragmatisch angegangen werden, bevor über grundlegende Systemwechsel voraussichtlich jahrelang diskutiert wird. Inzwischen wird der Wettbewerb vermutlich manches richten. Und auch Verfassungsrechtler und Gesundheitsökonomen können derweil ihren Konzeptwettbewerb weiter führen.

Das BVA und der Gesundheitsminister haben angesichts der üppigen Kassenüberschüsse die Forderung aufgestellt, die Kassen sollten diese an die Versicherten in Form von Prämien auszahlen. Widrigenfalls wird damit gedroht, auf politischem Wege Zwangsausschüttungen vorzunehmen. Nun hat die Selbstverwaltung angesichts der künftigen finanziellen Entwicklungen aber andere Vorstellungen. Von gezielten Bonuszahlungen in Verbindung mit gesundheitlichen Versorgungsmaßnahmen ist die Rede und von Investitionen in den Leistungsausbau. Letzteres ist sicherlich vernünftiger, als die Gießkanne der überschaubaren Rückzahlungsbeträge verbunden mit ziemlich bürokratischem Aufwand zu betätigen. Außerdem glaube ich, dass im Wahlkampfjahr eher der allgemeine Beitragssatz ein wenig abgesenkt wird, als dass die angedrohte Zwangsausschüttung realisiert wird. Das kann allemal breiter platziert werden.

Die Ergebnisse der Halle-Wittenberg-Studie über „Fangprämien“ im Auftrage des GKV-Spitzenverbandes, die ja eher den Charakter einer Meinungsumfrage hat, tragen in ihrer pauschalen öffentlichen Kommunikation sicher nicht zur Stabilisierung des Ärzte-Kassen-Verhältnisses bei. Keine Frage, die im Grunde bekannte Tatsache der Zuweisungen in Zusammenhang von Verordnungen ist ein Skandal, aber statt öffentlicher Pauschalanklage und ebensolcher emotionsgeladener Abwehr sollte auch hier pragmatisch miteinander beraten werden, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um das in den Griff zu bekommen. Nach dem Kochen sollte also ein wenig lauwarmer gegessen werden.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


Mai 2012

Piraten fehlen Grundlagen

Haben Sie sich nicht auch in letzter Zeit mit dem Phänomen der Veränderung der Parteienlandschaft durch die Piraten beschäftigt? Je nach Umfragen schicken sich die Piraten an, immerhin schon seit 2006 als Partei registriert, drittstärkste politische Kraft im Lande zu werden.

Mit dem beachtlichen Ergebnis in Schleswig-Holstein sind sie inzwischen in drei Landesparlamente eingezogen. Höchste Zeit also, einmal hinzuschauen, was da denn gesundheitspolitisch gebacken wird. Piraterie auch in der Gesundheitspolitik? Erfrischend übersichtlich und pointiert das sogenannte Programm, erschreckend dünn die Themenwelt! So kommt Gesundheitspolitik im derzeitigen Programmbaukasten offiziell auf Bundesebene gar nicht vor. Das Bundestagswahlprogramm für 2013 umfasst derzeit gerade einmal 6.955 Zeichen mit Leerzeichen – nicht mal zwei Seiten in der WELT DER KRANKENVERSICHERUNG.

Fünf Themen stehen im Angebot: Urheberrecht, freier Zugang zu öffentlichen Inhalten, bedingungsloses Grundeinkommen und Mindestlohn, Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV und Begrenzung der Leiharbeit wird da in unterschiedlicher Eindringtiefe angeboten. Am breitesten behandelt ist noch das Kapitel Urheberrecht. Von Gesundheit ist im Parteiprogramm allenfalls indirekt die Rede, denn an vorletzter und letzter Stelle kommt die Drogen- und Suchtpolitik vor. Das war´s? Keineswegs. Die Willensbildungsprozesse unterscheiden sich doch erheblich von denen, die man in den bisherigen Parteienlandschaften so kennt. Alles scheint aus den Blogs, Formulierungskünsten und Kompetenzen Einzelner, die webgewandt und netzaffin sind, zu stammen. Wenn auch nicht auf Bundesebene, so taucht doch auf regionaler und Landesebene dann auch die Gesundheitspolitik auf, je nachdem, ob sich ein Sympathisant oder Parteimitglied da auskennt, hat man den Eindruck. So weisen die Piratenparteigliederungen in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein – rechtzeitig zu den aktuellen Wahlterminen – einiges zur Gesundheitspolitik auf: Verbesserung der medizinischen Grundversorgung – was auch immer das sein mag – Veröffentlichungspflicht für medizinische und pharmazeutische Studien, was nicht ganz neu ist, Vorsorge in Schulen, für Kinder und Jugendliche, ein besonders vertieftes Kapitel über die Integration psychischer Erkrankungen und deren Entstigmatisierung, in der Kranken- und Altenpflege das Thema Fortbildung und Qualität, ein einheitliches Rettungswesen (da scheinen wohl einige aktiv zu sein) und die Gegnerschaft zum Roll-Out der elektronischen Gesundheitskarte.

Mit den Piraten schickt sich eine junge Internetgeneration an, politisch auf völlig andere Art und Weise mitzumischen, zweifelsohne nicht nur enttäuscht, sondern auch aktiv desinteressiert von und an den Ritualen etablierter Politik, der sie nicht über den Weg trauen. Inhaltliche Substanz wird seit 2006 operativ-episodenhaft und vermeintlich unstrukturiert-induktiv generiert und strukturiert im Netz zur Verfügung gestellt. Jede Art klassischer Profilierung Einzelner – ob partiell fundiert oder nicht – wird misstrauisch begleitet und beäugt. Entsteht hier ein neues Politikverständnis? Soziologisch gesehen haben wir es wohl mit einem Phänomen zu tun, bei dem etwa 10 % der Wahl-Bevölkerung im Durchschnittsalter von 31 gesellschaftliche Bedingungen nutzen, die die Armut individueller und kollektiver Wertvorstellungen verändern und eine gänzlich neue Art der Verständigung zu subjektiver Themenbewältigung jenseits politischer Klassengrenzen aufgreifen wollen. Ob das auf Dauer Bestand haben kann? Denn abgesehen davon, dass die Piraten zur komplexen Materie der Gesundheitswirtschaft keine umfassenden Positionen entwickelt haben oder entwickeln konnten, es fehlen auch ganz grundsätzliche Vorstellungen zu elementaren Grundlagen der Funktionsweise eines komplexen Gemeinwesens.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt

 

April 2012

Prävention ist mehr als nur vierte Säule

Vornehmstes Ziel aller Gesundheitspolitik ist die Verhinderung von Krankheiten, der Erhalt von Gesundheit. Gesundheit rangiert nicht nur ganz oben in der Werteskala der Bevölkerung, sie ist auch der entscheidende Produktivitätsfaktor für die Wirtschaft und ein ebenso grundlegender Qualitätsfaktor der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Unumstritten kommt daher Präventionsstrategien eine besondere Bedeutung zu.Und das nicht nur in der Gesundheitspolitik.

Doch dieser anerkannten Bedeutung gemäß, ist die Prävention gesundheits- und gesellschaftspolitisch längst nicht entsprechend praktisch hinreichend verankert. Sie ist vielmehr nach wie vor ein proklamatorisch gut gepflegtes Stiefkind der gesellschaftlichen Realität, auch wenn sich in den letzten Jahren durch viele Initiativen und viel Engagement vieles geändert hat und insbesondere die betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention, das betriebliche Gesundheitsmanagement, gemessen an dem was war, erhebliche Erfolge zu verzeichnen hat. Nun ist Prävention keinesfalls – wie Kuration, Rehabilitation und Pflege – einfach nur eine vierte Säule des „Gesundheitshauses“, sie ist vielmehr dessen Fundament. Und Fundamente sind bekanntlich entscheidend für die Stabilität des Ganzen. Es ist daher folgerichtig, sich mit diesem Thema wieder dauerhafter mit Blick auf Strategien, Bedingungen und Maßnahmen seiner Beförderung zu beschäftigen. Sowohl was die Ziele als auch was die primären, sekundären und tertiären Initialfelder und zahlreichen Aktivitäten – vor allem in sogenannten Settings anbelangt, müssen dabei keinesfalls die Räder neu erfunden werden. Unter dem Gesichtspunkt der Kooperation, Koordination und Qualitätsausrichtung bedarf es vielmehr konsequenter Förderung von effizienten Maßnahmen, die insbesondere die richtigen Zielgruppen erreichen. Gute gesundheitliche Versorgung ist eben nur eine Seite der Medaille, erfolgreiche Prävention und deren nachhaltige Verankerung eigentlich die Kopfseite.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


März 2012

Zurückhalten mit großzügigen Verteilungen!

Bekanntlich hatten alle Reformmaßnahmen auch immer kostendämpfende Auswirkungen. Der Zickzack in den Schaubildern der Kostenzuwachsentwicklungen belegt das anschaulich. Zieht dann  in einer Reformintervention zusätzlich die Konjunktur noch an und haben die Kassen zuvor vieles getan, um ihre Defizite und ihre Verschuldenssituation abzubauen, kann es sein, dass in einem Folgegeschäftsjahr die Überschüsse ungewöhnlich hoch sind.

In einer solchen Phase befinden wir uns derzeit. Die Reforminterventionen, die Sparpolitik und die Konjunktur wirken auf dem Niveau der Vorperiode gemeinsam deutlich entlastend. Wahrscheinlich kurzfristig, wie eigentlich immer, zieht man die Schätzungen zu den maßgeblichen Entwicklungsparametern zu Rate. Sind vor zwei Jahren noch die Defizite landauf, landab von allen Protagonisten beklagt worden, sind es jetzt die Überschüsse, die für Verteilungsvorschläge an die Adresse der Krankenkassen anstehen. Alle sollen profitieren: Die Versicherten sollten Prämien erhalten, der Finanzminister will Zuschüsse kürzen, die Krankenhäuser fordern mehr Geld. Ist es richtig, in dieser Situation auszukehren, zu verteilen?

Nein, sagen viele, die nach vorne blicken und dabei einerseits das Ende der Spargesetzeffekte 2013 vor Augen haben, andererseits die Annahmen des Schätzerkreises prolongieren, wonach die Ausgaben jährlich um 3,9 %, die Einnahmen aber nur um 1,4 % steigen werden. McKinsey prognostiziert in einer aktuellen Studie, bereits im Jahre 2013 würden die Reserven des Gesundheitsfonds von derzeit neun Milliarden um die Hälfte schrumpfen und damit auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve fallen. 2014 drohe bereits ein erneutes Defizit, was Krankenkassen dazu zwingen wird, wieder Zusatzbeiträge erheben zu müssen, lt. McKinsey in durchschnittlicher Höhe von 15,50 EUR. Andere Berechnungen gehen sogar von 20 EUR aus. Vor diesem Hintergrund scheint es opportun zu sein, sich mit großzügigen Verteilungen eher zurückzuhalten.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


Februar 2012

Effektvolle Oberflächen

Statt die drängenden Fragen der Gesundheitspolitik beherzt anzugehen, wie man es insbesondere aus den Oppositionstagen des derzeitigen Gesundheitsministers gewohnt war, werden die effektvollen Nebenkriegsschauplätze z.B. der Vergütung des KBV-Vorstandes in Form öffentlichen Briefverkehres besetzt.

Sicher kann man lange verspätet darüber diskutieren, ob eine lange vollzogene und bekannte Bezahlung eines Körperschaftsvorstandes nun angemessen ist oder nicht, man könnte Kreissparkassenvorstände vergleichend mit einbeziehen, die Bundeskanzlerin, den Chef eines Gesundheitswirtschaftskonzerns, einer großen Krankenkasse oder Bandarbeiter. Sicher kann man auch lamentieren, ob denn ein Gehaltssprung von 90.000 die notwendige Sensibilität einer Selbstverwaltungskörperschaft belegt und man käme wahrscheinlich zu dem Ergebnis, dass das wahrscheinlich nicht der Fall ist. Aber was soll dieser typische Oberflächendiskurs in good old german health-care-bistro-tradition mit Blick auf die täglichen gesundheitlichen Versorgungsfragen bewirken?

Gut, wenn niedrigere Vergütungen an diesen Stellen denn dazu führen würden, dass sektorales Kästchenhandeln überwunden, effizientere Ergebnisse erzielt, Leistungsgestaltungserfordernisse und Innovationsentscheidungen im Interesse von Versicherten und Patienten zügiger generiert würden! Gut, gut. Aber das ist ja nicht der Fall. Also wenden wir uns ab und flugs den drängenden Zukunftsfragen zu.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt


Januar 2012

Wir wollen den Diskurs

2012 wird für die Welt der Krankenversicherung ein spannendes Jahr. Wie werden sich die neuen und alten Regelungen der Gesundheitsreformen auf die gesetzliche und private Krankenversicherung auswirken? Sicher wird mehr Wettbewerb und Konzentration aber auch professionelles Organisations-Risiko- und Versorgungsmanagement zu erwarten sein.

Konjunktur und Sparmaßnahmen des letzten Geschäftsjahres haben sich positiv auf die Finanzen der Kassen ausgewirkt, was c.p. für 2013 aber nicht reichen wird. Für 2012 entfallen weitgehend die Zusatzbeiträge und einige Kassen schütten auch weiterhin Prämien aus. Gute finanzielle Bedingungen gelten aber nicht in gleichem Maße für die private Krankenversicherung. Sie hat nach wie vor mit hohen Kostenbelastungen zu kämpfen. Daher gilt auch für Sie, die Optionen für ein effektives Steuerungs- und Versorgungsmanagement strategisch anzugehen. Und für die Versicherten und Patienten? Wird sich das Service-, Leistungs- und Versorgungsangebot qualitativ verbessern? Wird das Kostensparen weiterhin spürbar im Vordergrund stehen? Und für Medizin und Gesundheitswirtschaft? Wird nützliches Neues in Kooperation und Vernetzung effizienter angepackt?

Das sind alles Themen, die wir auf unserer neuen Diskursplattform WELT DER KRANKENVERSICHERUNG anspruchsvoll bewegen werden. Lesen und diskutieren Sie mit. Bestellen Sie sich die WELT DER KRANKENVERSICHERUNG, die am 19.1. erscheinen wird.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Rolf Stuppardt

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